Normandie - Route du Cidre

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Normandie / Nordfrankreich

Route du Cidre: Das flüssige Gold des Pays d’Auge

Cabourg, Houlgate, Deauville, Trouville. Alles Namen bekannter normannischer Seebäder, in deren Schatten die Ruhe des Landlebens regiert. Apfelbäume prägen hier das Gesicht der Landschaft und liefern die Zutaten für Cidre, Calvados & Co. Deren Erzeuger – oder genauer gesagt: einige von ihnen – können Urlauber bei einer Fahrt auf der Apfelweinstraße, der Route du Cidre, besuchen. Zum Kosten und Kaufen.

Längst ist die Erinnerung an eine Zeit verblasst, als das Bad im Meer in Mode kam und die Pariser Bourgeoisie die Küste der Normandie für sich entdeckte. Als im französischen Norden aus einfachen Fischerdörfern oder bloßen Reißbrettentwürfen mondäne Seebäder wurden, in denen man zur Sommerfrische in Strandvillen und Grandhotels Logis nahm, über Promenaden flanierte und in Casinos sein Geld verprasste. Ein ewiges Spiel des Sehens und Gesehenwerdens. Besonders an der Côte Fleurie, dem wohl schönsten Abschnitt des normannischen Meeressaums – im Westen begrenzt vom Mündungstrichter der Orne, im Osten in etwa dort seinen Anfang nehmend, wo die Seine ihre Wasser in den Ärmelkanal entlässt und das Département Calvados beginnt.

Doch nicht nur die Blumenküste ist mit zahlreichen Reizen gesegnet. Auch ihr Hinterland. Schnell wird da aus maritimem Charme ländliche Beschaulichkeit, aus Meeresbläue Wiesengrün. Es ist die Welt des Pays d’Auge, das ein Stück Normandie wie aus dem Bilderbuch präsentiert: von Hecken parzellierte Felder zwischen Wiesen und Weiden mit grasenden Kühen und Pferden, Apfelbäume über Apfelbäume, pittoreskes Fachwerk in Gärten voller Hortensien, alte Herrenhäuser und verstreute Höfe, auf denen Bauern dem berühmten Dreigestirn der Region kulinarisches Leben einhauchen: Camembert, Cidre, Calvados.

Letztere sind Thema einer erlebnisreichen Ferienstraße – initiiert durch örtliche Produzenten, um Gästen neben einem lehrreichen Blick hinter die Kulissen ihrer Apfelhöfe auch deren süffige Produkte schmackhaft zu machen. So windet sich nun also bereits seit 1974 östlich von Caen die Route du Cidre, gut ausgeschildert und mit allerlei Kehren, auf 40 Kilometern durch das Pays d’Auge und verleitet Reisende per Auto oder Fahrrad zu einer Rundtour – mit Stopps bei dem einen oder anderen der rund 20 anliegenden Hersteller von Apfelsaft, Cidre und Calvados, von Pommeau (einer gern als Aperitif gereichten Mischung aus Apfelsaft und Calvados) und dem Birnenmost Poiré, vereint unter dem Hinweis „Cru de Cambremer“.

Wo man in die Route du Cidre einsteigt, spielt keine Rolle, denn sie hat weder Anfang noch Ende. Beginnen wir doch einfach in Cambremer, einer Hochburg der Apfelweinproduktion. Einem netten Dorf, dessen soziales Leben sich sommers auf der Terrasse einer Bar im Zentrum abzuspielen scheint. Hier sitzt man entspannt zwischen Einheimischen mit dem Gefühl, jeder kennt jeden – die betagte Kirche Saint-Denis vis à vis, auf deren dick vermoostem Dach die Tauben balancieren. Gleich um die Ecke dann, wie eine Aufforderung zum Aufbruch, ein erstes Hinweisschild – der schwarze Schriftzug „Route du Cidre“ auf weißem Grund und ein roter Apfel als Symbol –, dem es für einen Tagesausflug zu folgen gilt. Richtung Saint-Ouen-Le-Pin geht es, denn die Fahrt auf der Touristenstraße verläuft gegen den Uhrzeigersinn. So will es die Beschilderung.

Kaum sind die letzten Häuser Cambremers passiert, wandelt sich die Straße in einen fortan schmalen, über Hügel auf und ab kriechenden Streifen Asphalt, eingefasst von Weiden und Streuobstwiesen, der Blick nach links und rechts nicht selten verwehrt durch das dichte Laub mannshoher Hecken, hinter denen sich die Kronen unzähliger Apfelbäume ducken. Das Pays d’Auge offenbart schnell den Charakter seiner verträumten Landschaft, in der mit die Voraussetzungen für die geschützte Herkunftsbezeichnung ihrer hochwertigen Apfelweine liegen. Denn nur solche Produkte dürfen das Label AOP tragen, deren Früchte – insgesamt 48 Apfelsorten sind gelistet – im gemäßigten Meeresklima und auf den lehmhaltigen Böden der Region wachsen. Die Verwendung von 100 Prozent reinem Saft sowie der Verzicht auf Zugabe von Zucker oder Kohlensäure gehören dabei mit zu den Auflagen der Appellation, der 21 Höfe im Pays d’Auge folgen. Einige davon finden sich auf der Route du Cidre, wie das Manoir de Grandouet, das malerische Anwesen der Familie Grandval kurz hinter Cambremer.

Auf dem einstigen Besitz des Marquis de Trémouville baute Großvater Yvon (übrigens ein Mitbegründer der Touristenroute) 1942 ein neues Haus – in seiner beeindruckenden Stattlichkeit auf einer Anhöhe thronend und umringt von jahrhundertealten Wirtschaftsgebäuden im landestypischen Fachwerkstil. Heute ist bereits die dritte Generation am Ruder, und Stéphane Grandval bewirtschaftet mit seiner Frau Lucile 28 Hektar Land. Vor allem Äpfel gedeihen da an hohen und niedrigen Stämmen – 20 Sorten mit Namen wie Metais, Bedan oder Noël des Champs, spezielle Cidreäpfel, reich an Tanninen. Etwa fünf Apfelsorten bilden bei den Grandvals jeweils die Zutaten für einen Cidre, stets so kombiniert, dass sich ein perfektes Gleichgewicht von süß, sauer, bitter ergibt. „Welche Äpfel gut zueinander passen, wissen wir aus Erfahrung“, sagt Lucile. Und es ist ein Geheimnis, denn jeder Cidre-Hersteller mischt seine Apfelsorten anders.

Gäste sind in Grandouet täglich zu festen Zeiten willkommen – zum Verkosten, Einkaufen und auch für eine Führung durch die Kellerei, die mit einem Film beginnt. Da wird gezeigt, wie aus den Früchten, von der Ernte ab Oktober übers Reinigen, Sortieren, Raspeln, Pressen und Fermentieren bis zur Abfüllung in Flaschen und anschließenden Lagerung, jener perlende Apfelwein mit dem feinen Schaum und dem bescheidenen Alkoholgehalt entsteht – auch als Basis für die Weiterverarbeitung zu Calvados, dem berühmten Obstbrand, der genauso heißt wie die Region, aus der er kommt.

Die Reise geht weiter. Und bleibt ländlich idyllisch. Ab und zu ein Haus oder Gehöft, kaum Verkehr. Erst das nächste Dorf bringt Abwechslung ins Dauergrün. Es ist ein authentisches Stück Frankreich, das einen da in Bonnebosq erwartet: der lebendige Ortskern mit sich drängenden Häusern, die Fassaden aus Fachwerk oder Stein, mit Kirche, Bäckerei, Metzger und Friseur, mit Gelegenheiten zur gastronomischen Einkehr und damit zur Schaffung einer Grundlage vielleicht ja für eine weitere Verkostung. Die könnte bereits in Repentigny in die Tat umgesetzt werden. Oder in Beaufour-Druval, dem Wohnort von Géraldine Desvoye und Vincent Meilhac, deren Biobetrieb die Traditionen eines besonderen Handwerks seit Großvaters Zeiten wahrt.

Wie auch anderswo teilen sich die Apfelbäume der Cidrerie Desvoye den ihnen zugedachten Platz mit einer Herde Kühe. „Sie mögen den Schatten der Bäume, halten das Gras kurz und liefern den natürlichen Dünger für die Plantage“, sagt Géraldine. Eine Win-Win-Situation für Tier und Pflanze also. Dass das Obst der Familie auch von hohen Qualitätsansprüchen profitiert, kann man schmecken – bei so einfachen Dingen wie den selbstgemachten Gelées genauso wie beim Calvados, für den ein Cidre, das Ausgangprodukt, erst Monate im Fass lagert, bevor er zweimal gebrannt wird und der so gewonnene Brand zum Reifen noch für mehrere Jahre ins Eichenfass kommt.

Es wird Zeit für den Aufbruch. Und schon bald erreicht die Route du Cidre Beuvron-en-Auge, führt durch die Hauptstraße „eines der schönsten Dörfer Frankreichs“, vorbei an herrlichen Häusern in blühenden Gärten, bevor die Bebauung plötzlich eng zusammenrückt. Es ist ein zauberhaftes Nebeneinander von normannischem Fachwerk des 17. und 18. Jahrhunderts, das seinen Höhepunkt an der Place Michel Vermughen erreicht. Wie eine Insel fügt sich der Platz zwischen zwei Straßen, umringt von Cafés, Teesalons und Läden, während seine Mitte den Raum gerecht zwischen der restaurierten Markthalle und einem einladenden kleinen Park verteilt. Es wären jetzt nur noch 14 Kilometer auf der Route du Cidre bis Cambremer, aber noch möchte man nicht weiterziehen. Will lieber verweilen. Vielleicht vor der Crêperie in der Sonne sitzen und einen ihrer typisch dünnen Pfannkuchen probieren. Oder auch zwei.

Text und Fotos: Sabine Mattern

Informationen

Übernachten
Domaine Le Coq Enchanté: zauberhafte Chambres d’hôtes et Gîtes inmitten eines großen Gartens, ruhig gelegen im Zentrum von Cambremer; Abendessen zubuchbar; weitere ungewöhnliche Unterkünfte, Massagen im Baumhaus etc. www.le-coq-enchante.com

Le Pavé d’Hôtes: Chambres d’hôtes in altem, romantischem Fachwerkhaus am ruhigen Ende der Hauptstraße von Beuvron-en-Auge; freundliche Gastgeberin. www.pavedhotes.com

Route du Cidre
Karte der Strecke und Liste ihrer Cidre-Calvados-Produzenten unter www.routeducidre.com. Darunter auch Manoir de Grandouet in Grandouet und Cidrerie Desvoye in Beaufour-Druval (Infos zu Öffnungszeit, Führung, Verkostung: www.manoir-de-grandouet.fr, www.cidre-calvados-desvoye.fr)

Infos
https://de.normandie-tourisme.fr/cidre-route
www.cidrepaysdauge.com

Compliance Hinweis

Die Reise von Sabine Mattern wurde unterstützt von „Calvados Attractivité, Agence d'attractivité touristique et résidencielle du Calvados".

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