Frankreich: Nancy

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Nancy: Eine Perle der Architektur im nordöstlichen Frankreich

Im Mittelalter beginnt die Zeitreise durch Lothringens Städteschönheit Nancy und endet in einer glanzvollen Gegenwart.

Eilig fließt die Rue Gambetta zwischen dichten Häuserzeilen hinab, hält erst inne vor der kunstvollen Schmiedearbeit eines Tors, hinter dem sich das Pflaster eines der schönsten Plätze Europas über ein riesiges Viereck wölbt: die Place Stanislas, strahlender Mittelpunkt von Nancy und benannt nach dem letzten Regenten des Herzogtums Lothringen, dessen bronzenes Standbild in der Mitte der 106 x 124 Meter großen Fläche thront. Als entmachteter polnischer König von seinem Schwiegersohn, Ludwig dem Fünfzehnten, 1737 zum Herzog von Lothringen „befördert“, fiel Stanislaus Leszczyński die Aufgabe zu, den Anschluss seines neuen Reichs an die französische Krone vorzubereiten. Mit seinem Tod sollte Lothringen nämlich endlich, so wollte es ein politischer Handel, an Frankreich fallen. Doch obwohl mit 59 Jahren schon im fortgeschrittenen Alter, ließ sich Stanislaus (frz. Stanislas) mit dem Sterben reichlich Zeit. Fast 30 Jahre, die er nutzte, um Nancy, die lothringische Hauptstadt, zu Ehren seines Königs und Gönners zu verschönern, und sich damit selbst ein Denkmal setzte.

Zwischen grünen Hügeln im französischen Nordosten gelegen, hat das Nancy von heute die Wirren seiner turbulenten Vergangenheit trotz größerer Blessuren gut überstanden und seinen Bewohnern ein architektonisches Erbe hinterlassen, das mit Mittelalter, Renaissance, Klassizismus und Jugendstil ein eindrückliches Bild der Jahrhunderte spiegelt.

Im 18. Jahrhundert, als der Pole Stanislaus die Bühne betrat, litt Nancy unter einem gewaltigen Manko: Die mittelalterliche Altstadt und die sich anschließende, im 16. Jahrhundert gegründete Neustadt waren, unpraktischerweise, neben der Stadtmauer auch durch ein Stück Brache voneinander getrennt. Dessen geplante Bebauung sollte Ville Vieille und Ville Neuve verbinden. So entstand ab 1752 auf diesem Ödland der Königsplatz, der erst später den Namen wechselte und zur Place Stanislas wurde – als Prestigeprojekt des Regenten, der seine stadtplanerischen Ambitionen mit Hilfe des Architekten Emmanuel Héré in wenigen Jahren realisierte.

Anders als bei der östlich, auf dem einstigen Gelände des herzoglichen Gemüsegartens ebenfalls neu angelegten Place d’Alliance, deren brunnengeschmücktes Geviert deutlich bescheidener ausfiel, wurde auf der Place Stanislas nicht gekleckert, sondern geklotzt: Gemauert aus dem weißen Kalkstein der Region, beziehen am Rand des Platzes herrschaftliche Bauten im Stil des Klassizismus Position. Darunter Rathaus, Grand Hotel und Oper – allesamt dreigeschossig und reich an Dekor. Mit verblendeten Pfeilern, Gesimsen und üppig geschmückten Balustraden als Dachabschluss. Nur die beiden zwillingsgleichen Fronten an der Nordseite des lebhaften Platzes sind niedriger. Aus Gründen der militärischen Sicherheit.

Die Place Stanislas, inspiriert durch Versailles, perfekt geplant und wie aus einem Guss. Alles wirkt offen und weit. Straßen, die auf den Platz zuströmen, trennen die Bauten und enden vor mit viel Gold und Symbolik geschmiedeten Torgittern im verspielten Stil des Rokoko. „400 Männer sollen hier geschuftet haben, um dieses kleine Wunder zu ermöglichen“, sagt Stadtführerin Christine Wetz. Und als Wunder betrachtete wohl auch die UNESCO den Platz, als sie ihn 1983 als Teil eines Ensembles zum Weltkulturerbe machte: zusammen mit der abseits gelegenen Place d’Alliance sowie mit der benachbarten Place de la Carrière und dem in die Stadtmauer hineingebauten Triumphbogen, der den Namen des herzoglichen Architekten trägt.

Wer die Place Stanislas durch jenen Arc Héré verlässt, betritt die Altstadt und findet sich unvermittelt auf der Place de la Carrière wieder, die aus dem 16. Jahrhundert stammt. Den langgezogenen Platz gab es also schon, als Stanislaus in Nancy das Zepter übernahm. „Er wurde lediglich modernisiert“, so Wetz. Man habe an den Seiten die Hausfassaden, hinter denen der Adel logierte, vereinheitlicht, während sich der Turnierplatz, ganz en vogue, in einen Park verwandelte: heute eine von akkurat gestutzten Linden begleitete Allee, an deren Ende sich nach Plänen von Héré und als Pendant zum Rathaus der Gouverneurspalast erhebt.

Links vom Palais öffnet sich eine Kolonnade zur Place Saint Epvre, der Keimzelle Nancys. Wo ab dem 11. Jahrhundert die Stadt rund um einen Handelsweg wuchs, blicken die neugotischen Mauern der Basilika St. Epvre über das ungezügelte Wirrwarr der Häuser. Bilden das Zentrum dieses charmanten Viertels mit den engen Gassen, dessen mittelalterliche Bebauung die Zeiten jedoch nicht überlebt und Platz gemacht hat für eine Architektur späterer Jahre.

An der Ecke zur Grande Rue weckt dann seine schiere Größe das Interesse für den Herzogspalast, der sich auf vielen Metern in die lange Straße hineinschiebt. Ab 1502 unter René II. an der Stelle einer zerstörten Burg errichtet, im 18. Jahrhundert als Residenz schon wieder passé und 1848 zum Museum umfunktioniert, belegt der eher schlichte Bau, der in Sachen Dekor besonders im Bereich der Eingangstore eine Zugabe gibt, eindrucksvoll den Übergang von der Gotik zur Renaissance.

Zwischen dem Herzogspalast und der Porte de la Craffe, dem nördlichen Stadttor als letztem Relikt des Mittelalters, nutzt schließlich die Grande Rue jede Gelegenheit, die Flaneure von Nancys Architekturschönheiten abzulenken und ihre Aufmerksamkeit auf profanere Dinge zu richten: die vielen Cafés und Geschäfte, die zum Reinkommen verlocken. Und dann die Pâtisserien, deren Auslagen es einem unmöglich machen, den süßen Spezialitäten der Stadt zu widerstehen.

In der Tasche die leckeren Makronen heimischer Konditoren oder jene Madeleines, für die schon Herzog Stanislaus schwärmte, lässt sich direkt im historischen Zentrum eine Picknickpause im Grünen einlegen. Nur ein paar Schritte abseits der Grande Rue spannt sich das weite Feld des Parc de la Pépinière mit etlichen Freizeitangeboten – als Einladung und Lustmacher, noch weitere Gärten im Stadtgebiet zu entdecken, oder einfach als Ort der Muße, bevor es weitergeht mit der Stadtbesichtigung. Schließlich warten mit dem Musée de l’École de Nancy, das im Haus des Kunstmäzens Corbin sein Zuhause fand, und der nahen Villa Majorelle noch zwei echte Höhepunkte der in Nancy so bedeutsamen Kunstbewegung des Jugendstils auf einen Besuch. Und da in Frankreich gutes Essen immer eine Hauptrolle spielt, versteht es sich eigentlich von selbst, den kulinarischen Ausklang des Tages in die Brasserie L’Excelsior zu verlegen, die gehobene Speisen aus der französischen wie lothringischen Küche im opulenten Ambiente eines Jugendstilbaus serviert. Vorausgesetzt, man hat reserviert.

Informationen

Übernachten
z.B. Cottage Nancy Brabois: familiengeführtes Hotel mit ausgezeichneter Restaurantküche 5 km südlich von Nancy in Vandœuvre-lès-Nancy; eigener Parkplatz und Bushaltestelle ins Zentrum vor der Tür.
www.cottagenancy.com

Grand Hôtel de la Reine: charmante Hoteladresse in historischem Gemäuer direkt an der Place Stanislas.
www.hoteldelareine.com

Nancy badet
Nancy Thermal, ein Komplex für Fitness, Wellness, Entspannung und Gesundheit, der mit Thermalwasser versorgt wird.
www.nancythermal.fr

Weitere Infos
www.nancy-tourisme.fr/de

Text und Fotos: Sabine Mattern

Alle Angaben wurden von der Autorin nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt und von der Redaktion von Hayit Medien und Fernweh.de überprüft. Allerdings kann keine Gewähr oder Haftung für einen etwaigen Schaden übernommen werden.

Transparenz-Hinweis

Diese Reise wurde unterstützt von Destination Nancy und Atout France. Die Berichterstattung erfolgte jedoch unabhängig. Es wurde kein Honorar für die Veröffentlichung an den Verlag bezahlt.

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